Die „Blieser Steeßer“

Unter „Steeßer“ versteht man in Bliesen die Angehörigen und Nachkommen der Familien Klees und Wagner, die in den vergangenen fast zwei Jahrhunderten nicht nur in Bliesen sondern auch im gesamten Kreis St. Wendel und darüber hinaus erfolgreich den Schwei-nehandel betrieben haben. In unserer Region bezeichnet man diese „Ferkelhändler“ als „Blieser Steeßer“, und man hat diesen Namen auch auf die Gesamtheit der Bliesener übertragen. Diese Bezeichnung ist in die Rubrik der Neck- und Spottnamen einzuordnen, wobei die Bliesener dem Namen „Blieser Steeßer“ keineswegs eine negative Bedeutung beimessen, weil damit auf einen erfolgreichen Berufsstand Bezug genommen wird.

Der Ferkelhandel wurde in Bliesen seit den 1830er Jahren von Anton Klees und seit Anfang der 1850er Jahre auch von Johann Nikolaus Wagner („Kettersch“) und danach von deren Nachfolgern weiter betrieben. Der letzte Bliesener Ferkelhändler, Josef Wagner, der mütterlicherseits auch aus der Sippe Klees stammte, hatte sein Gewerbe am 31.05.1989 aufgegeben.

Der Ferkelhandel wurde meist neben der eigenen Landwirtschaft als zusätzliche Einnahmequelle betrieben. Die eigene Landwirtschaft war schon deshalb wichtig, weil die Schweine zwischen An- und Verkauf in der eigenen Stallung gefüttert werden mussten. Einige der Familie Klees betrieben den Handel vollberuflich sowohl als Einzelhändler als auch als Großhändler und konnten damit einen ansehnlichen Wohlstand aufbauen.

Die Ferkel wurden von den Händlern auf den umliegenden Märkten oder aber direkt beim Kunden verkauft. Kunden waren überwiegend Familien, die sogen. „Bergmannsbauern“, die neben ein oder zwei Kühen, einigen Ziegen und Hühnern noch ein Schwein hielten. Auf den Märkten konnten die Käufer zwischen Hunderten von Ferkeln auswählen. Bei diesem großen Angebot mussten die Händler um die Gunst der Käufer werben. Wie andere Marktschreier hatten die sie immer ihre eigenen lockeren Sprüche parat um die Käufer zu überzeugen, so zum Beispiel:

„Lehn, holl dat Ferkel do, dat krisch’de nimmi, dat es wat for off’s Vertiko, dat hat en’me halwe Johr zwei Zentner“.

Dabei wurde das Ferkel am Hinterbein mit dem Kopf nach unten festgehalten um mit einem kräftigen Stoß nach unten das Tier um einiges zu verlängern. Damit wurden die Käufer beeindruckt.

Nach Geschäftsabschluss, per Handschlag bestätigt, wurde das gekaufte Ferkel gekennzeichnet und nach Markschluss dem Käufer nach Hause zugestellt. Bevor der Transport der mit dem Auto erfolgte, wurden die Ferkel mit dem Pferdewagen transportiert. Die Pferde gehörten einer leichten aber ausdauernden Rasse an, und so kam schon einmal vor, dass an einem Tag Strecken bis zu 100 Kilometer zurückgelegt wurden.

Mit Beginn der 1960er Jahre ging die Nachfrage nach Ferkeln auf den hiesigen Märkten zurück und die Händler mussten sich nach entfernten Märkten umsehen. So fuhr Josef Wagner z. B. mit seinem Schweinewagen bis Schwäbisch-Hall. Als Ausgleich für das rückläufige Geschäft handelte Wagner später mit Spanferkeln, die er selber zubereitete oder zum Selberbraten verkaufte.

Über die Herkunft des Namens “Steeßer“ gibt es fünf verschiedenen Versionen von denen jede möglich sein kann.

1. Nach einem guten Handel sollen die Händler gesagt haben: do ha´mer e gudder Stoß gemacht.

2. Wenn die Ferkel in Herden getrieben wurden, hat man sie mit Stockstößen (Stößer) zusammengehalten.

3. Mit einem Holzstößer wurden die gekochten Kartoffeln für das tägliche Schweinefutter gestampft.

4. Wenn die Händler das Ferkel am Hinterbein festhielten und zwecks „Längenwachstum“ nach unten “gestoßen“ haben.

5. Wenn die Ferkel in dem Schweinewagen lagen, wurden sie mit einem Stöckchen angestoßen damit sie quiekend aufsprangen und einen quirligen Eindruck auf den Kunden machten.

Unzweifelhaft ist jedoch die Sprech- und Schreibweise:  „Blieser Steeßer“

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